Grüner Fußabdruck

WAS MUSS UNS UMWELTSCHUTZ KOSTEN?

“Net Zero” ist ein Thema, das mich seit einigen Jahren umtreibt. Wie können wir Menschen den drohenden Umweltkollaps verhindern? Das Bevorstehende ist für uns schwer zu fassen. Hochwasser, Stürme und Hitzewellen geben uns eine Vorahnung dessen, was kommen könnte. Irgendwann in der Zukunft. Der ungebremste Klimawandel verursacht weltweit große Schäden. Das wird häufig vergessen, weil fremde Regionen betroffen sind oder das fatale Ergebnis weiter in der Zukunft liegt, als der eine oder die andere von uns vielleicht erleben wird.

Ich bemühe mich, mich durch Lesen und Zuhören bestmöglich zu diesem Themenkomplex zu informieren (siehe auch mein Blogbeitrag zum Buch von Bill Gates). Ich verfolge bzw. co-finanziere Startups, die an Lösungen zum Beitrag zur Klimaneutralität oder zu Carbon Capture arbeiten. Auch habe ich vor zwei Jahren begonnen, Investitionen bewusst in börsennotierte Unternehmen umzuschichten, die sich um Net Zero kümmern. Auch wenn dies weniger Rendite und/oder höhere Risiken als andere Anlagemöglichkeiten mit sich bringen mag. Dazu kommt mein Wille zu ESG-konformem Investieren. Leider sieht mir dies derzeit aber noch viel nach “oberflächlich” und teilweise noch nach Greenwashing aus.

 

EIGENER CO2-FUSSABDRUCK

Natürlich berechne ich auch regelmäßig meinen eigenen CO2-Fußabdruck. Diesen genau zu bestimmen, ist selbst mit einem der zahlreichen Web-Tools nicht wirklich leicht.

Mit dem CO2-Rechner des Umweltbundesamts komme ich dieses Jahr in meiner persönlichen Klimabilanz auf 14,2 Tonnen CO2-Äquivalente, die ich privat verbrauche. Wobei bei mir der Verbrauch für private und berufliche Zwecke ineinander übergehen. Mein Büro befindet sich zum Beispiel in meinem Wohnhaus, die Heizkosten für berufliche Zwecke fließen also in die genannte Berechnung ein. Ich finde diese 14 Tonnen CO2 trotzdem eine Menge, denn: Ich fliege nicht besonders viel und unterhalte auch nicht verschiedene internationale Wohnsitze. Mein derzeitiges, gemietetes Wohnhaus hat modernen Dämmstandard. Außerdem fahre ich seit vielen Jahren ein und dasselbe, inzwischen entsprechend alte Elektroauto. Dieses lade ich zuhause selbstverständlich mit grünem Strom. Auch ernähre ich mich zu 95 % pflanzlich und häufe insofern durch Fleischkonsum keine CO2-Schulden an. Umso erschreckender finde ich, dass ich trotz alledem noch immer auf über 14 Tonnen komme.

Warum fand ich die Berechnung meines eigenen CO2-Fußabdrucks trotz des Tools nicht leicht? Bei mancher Abfrage habe ich mit der Antwort gezögert. Mir ist nicht völlig klar, wie ich den Rechner auch wirklich korrekt ausfülle. Gebe ich z.B. den Gasverbrauch vom letzten Jahr ein? Das wäre dann eine in die Vergangenheit gerichtete Betrachtung. Was genau zählt alles zum “privaten Verbrauch”? Während Corona konnten wir keine Restaurants besuchen. Wie stark verfälscht dies das Ergebnis? Und muss ich von den, sagen wir mal, neuen Kochtöpfen oder Gartenstühlen, die ich kaufe, einen Teil dieser Konsum-CO2-Kosten meiner Familie zurechnen? Oder von den gemeinsam in einem Auto gefahrenen Autokilometern? Fragen über Fragen … Ich verstehe die errechneten 14 Tonnen für mich zumindest als einen Näherungswert.

Der durchschnittliche Verbrauch eines Deutschen liegt derzeit, in 2022, bei ca. 11 Tonnen CO2-Äquivalenten jährlich*. Dies ist trotz meiner oben aufgezählten CO2-schonenden Lebensgewohnheiten, nur dreiviertel des für mich errechneten Fußabdrucks.

 

CO2 Emissionen privater Haushalte (c)ard.de

CO2 Emissionen privater Haushalte (c)ard.de

 

Eine meiner Informationsquellen ist DIE ZEIT und ZEIT ONLINE. Mit Interesse habe ich den Podcast vom 8. Juli 2022 aus der Reihe “Das Politikteil” verfolgt, der den provokanten Titel “Killt Wladimir Putin die Energiewende?” trägt. Im Interview mit den Redakteuren war Prof. Dr. Ottmar Edenhofer, der Co-Direktor und Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) sowie Professor an der Technischen Universität Berlin. Er gilt als Experte auf dem Gebiet der CO₂-Bepreisung. Er ist einer der meistzitierten Forscher der Welt.

 

UKRAINE KRIEG BRINGT NEUE ENERGIE-BRISANZ

Neue Brisanz hat die Energiethematik bekanntermaßen durch den Ukrainekrieg erhalten. Dass sich Deutschland zu abhängig von russischem Gas gemacht hat – darüber herrscht offensichtlich Einigkeit. Seit wir gebannt darauf warten, ob der Möchte-Gern-Weltherrscher im Kreml morgen, nach der Reparatur besagter Turbine, den Hahn wieder aufdreht, diskutiert die Politik Was-ist-wenn-Szenarien für kommenden Winter. (21.7.22: Es ist morgen und er hat den Hahn wieder aufgedreht. Offensichtlich mit nur 40 % der durch die Pipeline möglichen Liefermenge.)

Unabhängig vom auf- oder zugedrehten Hahn haben wir uns im Zuge der deutschen Energiewende bis zum Jahr 2045 auf die Agenda gesetzt, mindestens 80 Prozent der Stromversorgung und 60 Prozent der gesamten Energieversorgung aus erneuerbaren Energiequellen zu stemmen. Aber eben bis 2045. Ad hoc, in 2022, können weder wir noch die EU dies logischerweise schaffen. Zudem werden bis Ende diesen Jahres 2022 alle deutschen Atomkraftwerke abgeschaltet. So der ursprüngliche Plan.

 

KLIMAPOLITK: “WIR SIND IN DER SITUATION EINER ORGANISIERTEN VERANTWORTUNGSLOSIGKEIT” 

Dieses steile Statement stammt nicht von mir, sondern von Ottmar Edenhofer. Ich zitiere es aus o.g. Podcastinterview. Edenhofer führt weiter aus, dass in der Klimapolitik bisher niemand wisse, was er genau tun muss oder soll. Die Klima-Sirenen werden immer lauter, doch unser Rettungswesen dafür ist nicht organisiert: “Wir haben die Verantwortlichkeiten in der Klimapolitik schlecht ausbuchstabiert.”

Der russische Aggression in der Ukraine lässt alte Fragen aufflammen: Brauchen wir nun etwa doch wieder Atomkraft, um die deutsche Energiewende hinzubekommen? Diese Diskussion wird befeuert durch die stark gestiegenen Gaspreise. Steigt der Gaspreis (wie derzeit) schneller als der Kohlepreis, wird Gas aus dem Markt gedrängt und Kohle als Energielieferant wieder attraktiv.

Klimapolitisch ist dies ein Desaster. Es ist gleichzeitig ein Angriff auf den European Green Deal. Dieser legte Gas – bei niedrigen Einkaufspreisen – als Brückentechnologie auf dem Weg zum Umbau zur klimaneutralen Energiegewinnung zugrunde.

Schäden eines ungebremsten Klimawandels scheinen derzeit noch weit weg. Sie werden gemäß Edenhofer ab 2030/2040 sicht- und spürbar sein: Eigentum wird in manchen Staaten z.B. durch steigende Meeresspiegel massiv gefährdet sein. Auch steigende Temperaturen können für ältere Menschen tödlich werden. Was weit weg erscheint, ist für uns Menschen schwer zu fassen. Für manch Einen auch schwer zu glauben. Unmittelbar betroffen sind wir derzeit aber von der Energiesicherheit. Und diese bekommt Jede und Jeder von uns zu spüren.

 

MITTELFRISTIG SIND KLIMAPOLITIK UND ENERGIESICHERHEIT KEINE GEGENSÄTZE

… kurzfristig betrachtet zeigen sich allerdings dramatische Zielkonflikte. Während die Klimapolitik den European Green Deal erfüllen muss, erscheint es derzeit, dass wir für nächsten Winter fehlendes Gas durch die Verfeuerung der Kohle ersetzen müssen. Der European Green Deal beinhaltet Obergrenzen für Emissionen, die über die Jahre sinken müssen.

Dies wäre, so Edenhofer, durchaus verkraftbar, wenn auf EU-Ebene der CO2-Emissionshandel dennoch nicht außer Kraft gesetzt wird. Dies würde gewährleisten, dass die Emissionen nicht über die vereinbarte Obergrenze steigen. Da durch die Braunkohleverfeuerung fast doppelt soviel CO2 freigesetzt würde wie beim Verbrennen von Naturgas, bedeutete dies: Der CO2-Preis müsste ansteigen, die Energie würde teurer.

Kurzfristig könnten wir so den Zielkonflikt zwischen Klimapolitk und Energiesicherheit entschärfen: “Wirtschaft und Verbraucher müssten bereit sein, die höheren CO2-Preise zu bezahlen”, so der Co-Direktor des PIK. “Wir würden das wirtschaftlich verkraften. Für mich kann Energiesicherheit und Klimapolitik […] Hand in Hand gehen. Die entscheidende Frage ist, ob die Politik den Mumm hat, in der jetzigen Situation den Lobbygruppen […] energisch entgegenzutreten und zu sagen, wir müssen zu unseren klimapolitischen Zielen stehen.”

Würde die EU den Emissionshandel in der derzeitigen Lage temporär aussetzen wollen, laufen wir Gefahr, uns von den ambitionierten Klimazielen zu verabschieden. Bis 2030 wollen wir die Netto-Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um mindestens 65 % gesenkt haben.

 

WO STEHEN WIR BEI DER TREIBHAUSGASREDUZIERUNG DERZEIT?

Der aktuelle Stand auf diesem Weg zu 2030: Im Jahr 2020 wurden die Treibhausgasemissionen gem. Umweltbundesamt** voraussichtlich um insgesamt 40,8 Prozent gegenüber 1990 reduziert. Dies bedeutet also, wir hätten weitere 24,2 % Reduktion in den nächsten 8 Jahren vor uns. Ist das viel? Wie schwer ist es, dieses Ziel zu erreichen? Waren vielleicht die ersten 40 %-Reduktion leicht zu schaffen, die fehlenden 24,2 % werden aber viel schwerer zu stemmen sein? Wo müssen wir reduzieren? Betrifft die Reduktion uns private Haushalte oder betrifft sie produzierende Unternehmen? Als Verbraucher kann ich diese Werte überhaupt nicht einschätzen.

Seit Kriegsbeginn ist der Gasverbrauch in den deutschen Haushalten übrigens um 6 %, in der Industrie 11 % gesunken. Noch spüren wir Verbraucher die Gaspreise zu wenig. Edenhofer fordert, Gas wie auch andere Energiekosten künftig nicht mehr zu subventionieren. Die hohen Preise müssen an uns Verbraucher durchgereicht werden, wobei es gleichzeitig “dynamische Entlastungspakete” für Haushalte geben muss.

Im positiven Sinne könnte dieser unsägliche Krieg auch als Treiber für unsere schnellere Unabhängigkeit von Öl und Gas wirken. Allerdings müsste die EU gegenüber Russland als einheitlicher Käufer auftreten. Um Gasimporte noch uninteressanter zu machen, müsste eine Steuer auf den Import erhoben werden. Edenhofer: “Wir müssen Erneuerbare sehr viel schneller ausbauen, darauf sollten wir uns konzentrieren.”

 

MEIN FAZIT AUS DIESEM INTERVIEW MIT OTTMAR EDENHOFER

Das Überangebot an fossilen Energieträgern macht die so gewonnene Energie im Moment noch zu billig, um erneuerbare Energielösungen in großem Maßstab einzuführen.

CO2 hat einen Preis

Ich schließe mich der Meinung von Ottmar Edenhofer an: Die CO2-Bepreisung muss in Zukunft eine größere Rolle spielen. CO2 muss teurer werden. Wir Verbraucher spüren die Notwendigkeit für Energiebewusstsein erst, wenn CO2-Preise auch auf unsere Geldbörsen durchschlagen. Edenhofer spricht von CO2-Preisen von > € 250/Tonne.

Davon sind wir im Moment weit entfernt. Wisst ihr, was die Tonne CO2 derzeit kostet? Ich habe es nachgesehen: Das sind seit Januar 2021 magere € 25.

Auch gehe ich mit Edenhofers Anregung einher: Einkommensschwache müssen im Gegenzug zur Erhöhung der CO2-Steuer eine Kompensation erhalten. Wir dürfen den sozialen Zusammenhalt nicht gefährden. Sonst könnte die Zustimmung zur Klimapolitik erheblich leiden.

Kann ich meine 14 Tonnen CO2-Verbrauch ausgleichen? Mit aktuell 14 Tonnen mal 25 Euro, also 350 Euro pro Jahr? Was wären sinnvolle Kompensationszwecke? Nur Bäume in Südamerika oder Südostasien zu pflanzen wird dem Weltklima nicht helfen, wie manche Expert/innen erklären.

Und wenn ich 14 Tonnen zu dem von Edenhofer erwähnten deutlich höheren CO2-Preis von 250 Euro/Tonne ausgleichen möchte? Dann kämen monatlich knapp 300 Euro zusammen. Dies ist ein beachtenswerter Betrag. Für Geringverdiener ist dieser überhaupt nicht zu stemmen.

Erlaubt mir dieses Gedankenexperiment:
Meines Erachtens wäre eine Lösung, in alle Produkte und Dienstleistungen den jeweiligen CO2-Preis direkt einzuberechnen.
Vieles würde dann freilich erheblich teurer werden. Zum Ausgleich bekommt Jede/r seine “Freimenge CO2”  als Zuschuss. Gehen wir in diesem Gedankenexperiment von anfänglich 8 Tonnen Freimenge aus, kämen wir bei einem Preis 250 Euro/Tonne also jährlich auf 2000 Euro. Ziel müsste jedoch sein, die Freimenge peu à peu zu verringern. Damit würden CO2-Sparer/Geringverdiener entlastet, ein Durchschnittsbürger/in (der derzeit, siehe oben, 11 Tonnen/Jahr verbraucht) würde dann 3 Tonnen mal 250 Euro, gleich 750 Euro bezahlen. Ich müsste derzeit 1500 € bezahlen. CO2-Verschwender/Gutverdienende würden also mehr zur Kasse gebeten. Dies erscheint mir gerecht, da CO2-Verschwender ja auch mehr Umweltschäden erzeugen.

Was meint ihr dazu?

Ich bin gespannt, wie die Gesellschaft und die Politik den C02-Preis erhöhen kann und den Ausgleich zwischen den Bürgern mittels Umlagen gestalten wird.

Im positiven Fall könnte ich mir vorstellen, dass der Ukraine-Krieg rückblickend als Beschleuniger in das regenerative Zeitalter gelten wird. Dann hätte dieser schreckliche Krieg wenigstens noch etwas Positives.

Am Ende des Tages müssen aber wir Verbraucher sparen. Jede(r) von uns.
Ich fürchte, das Ende des Tages ist nicht irgendwann. Es ist sofort.

 

 

 


Quellenangaben:

* https://www.gasag.de/magazin/nachhaltig/co2-ausstoss-mensch vom v. 28.7.22

** https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/klimaschutz-energiepolitik-in-deutschland/treibhausgas-emissionen/ v. 21.7.22

*** https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/klimaschutz/weniger-co2-emissionen-1790134#:~:text=Der%20neue%20CO2%20%2DPreis%20betr%C3%A4gt,Verschmutzungsrechte%20per%20Auktion%20ersteigert%20werden.

 

No Comments

Post A Comment